Selbstbewertung von Projekten im Naturwissenschaft- und Technikunterricht

Die Klassenarbeit ist seit jeher das zentrale Element um gelernte Inhalte zu überprüfen. Allerdings tragen die Bildungspläne seit gut 15 Jahren dem Umstand Rechnung, dass es immer weniger darum geht, Dinge stupide zu lernen, sondern Fähigkeiten zu erwerben, um Probleme lösen zu können (Kompetenzen).

Auch deshalb ist es, insbesondere in Fächern, die praktisch orientiert sind, wichtig, dass wir unsere Prüfungs- und Bewertungsmethoden anpassen. In Baden-Württemberg lässt die Notenbildungsverordnung (NVO) zu, dass eine klassenweite „gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen“ (GFS, gleichwertig im Sinne „gleichwertig zu einer KA“) angefertigt werden kann (§ 9, Absatz 4, NVO). Im Fach NwT (Naturwissenschaft und Technik, außerdem in IMP und Informatik) des Gymnasiums in Baden-Württemberg, kann eine Klassenarbeit durch ein Projekt ersetzt werden (§ 9, Absatz 2, NVO). Ich gehe in meinen Beispielen von einem relativ klassischen Projektbegriff aus.

Ausgangssituation im Fach NwT

Gerade aufgrund der rasanten Entwicklung im Bereich der Fertigung haben sich für die Projektarbeit ganz neue Möglichkeiten erschlossen. Nachdem wir schon seit etwa 15 Jahren CNC-Fräsen der Firma MAX (Kosy) einsetzen, kamen in den letzten Jahren 3D-Drucker (wir arbeiten mit einem Ultimaker 3+ und zwei FlashForge-Modellen) hinzu, die ermöglichen, individuelle Bauteile in Einzelanfertigung oder Kleinserie zu erzeugen. Viele Projekte, die zuvor gescheitert wären, weil Bauteile nicht oder nur zu teuer zu beschaffen gewesen wären, sind jetzt möglich. Es ist deshalb gut und richtig, diese Möglichkeiten im Unterricht, als auch in Prüfungssituationen zu nutzen.

Im Abitur ist im Fach NwT (Naturwissenschaft und Technik) zum ersten Mal in einer Naturwissenschaft die Möglichkeit einer fachpraktischen Prüfung gegeben. Dies ist meines Erachtens ein enormer Fortschritt. Im künstlerischen (Kunst, Musik, Literatur und Theater) und sprachlichen Bereich (Kommunikationsprüfung) sind praktisch orientierte Prüfungen ja schon seit längerer Zeit vorgesehen.

Die Schülerinnen können jetzt anhand eines selbst ausgeführten Projekts, welches in der Prüfung fertig gestellt wird, eine Abiturleistung erwerben. Im Anschluss folgt ein Kolloquium zum Projekt. Bewertet werden im praktischen Teil sowohl das Produkt, als auch der Umgang mit Werkzeugen und Werkstoffen, sowie das Einhalten von Sicherheitsbestimmungen (z.B. an der CNC-Fräse).

Die Arbeit in Projekte ist somit auch eine Vorbereitung einer solchen praktischen Prüfungssituation und das Bewerten der eigenen Arbeit ist eine essentielle Voraussetzung um Stärken bewusst einzusetzen und Schwächen gezielt zu stärken.

Bewertung von Projekten

Projektarbeit eröffnet die Möglichkeit, angefertigte Produkte und deren Entstehungsprozess zu bewerten und zu evaluieren. Hierbei sind verschiedene Ansätze möglich, die natürlich auch beliebig kombiniert werden können:

  • Bewertung des fertigen Produkts (Design, Funktion, Leistung…)
  • Bewertung des Planungsprozesses (Projektmappe/Portfolio, CAD-Entwürfe)
  • Bewertung des Arbeitsverhaltens während der Projektarbeit
  • Selbstbewertung der eigenen Arbeit und der Arbeit in der Projektgruppe
  • Eine „praktische Klassenarbeit“ in Form einer Programmieraufgabe (Arduino, Python) oder einer Konstruktionsaufgabe im CAD

Bewährt hat sich meiner Ansicht nach ein multidimensionaler Ansatz. Also die Kombination einer Selbstbewertung und einer Bewertung durch den Lehrer, jeweils bezogen auf die verschiedenen Projektphasen. Schon hier wird deutlich, dass die Bewertung eines Projektes mehr ist, als das Zusammenzählen von Punkten und das Ablesen einer Note auf einer Skala. Deshalb bietet es sich an, hier neue Wege zu gehen und neue Ideen zur Bewertung auszuprobieren.

Ideen und Vorlagen zur Bewertung eines Projekts findet man auf dem Fortbildungsserver des Landes Baden-Württemberg. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Beispiele hauptsächlich auf berufliche Gymnasien und höhere Ausbildungen beziehen. Die Vorschläge sind in der dort gezeigten Form für die Sek. I oftmals zu komplex und bedürfen der Reduktion.

Im Folgenden will ich drei Möglichkeiten vorstellen, wie sich Schülerinnen selbst bewerten können (natürlich können alle Methoden auch von der Lehrerin eingesetzt werden um die Schülerinnen zu bewerten). Zu beachten ist, dass ich aktuell selbst mit diversen Ideen experimentiere und deshalb (noch) keine fertigen Vorlagen oder Ergebnisse liefern kann. Mir geht es eher darum, Denkanstöße für eigene Versuche zu geben.

Bewerten mit einer Matrix (Kompetenzraster)

Eine schon relativ klassische Methode ist die Bewertung mit Kompetenzrastern. In der ersten Spalte trägt man verschiedene Kompetenzen auf, in der ersten Reihe verschiedene Anforderungsstufen, welche die Qualität und Komplexität der Umsetzung angeben (entweder als Schulnoten, oder verbalisiert). Der Vorteil dieser Methode ist, dass sie schon relativ etabliert ist und leicht umgesetzt werden kann. Im Netz und in der Literatur existieren viele Beispiele und Vorlagen.

Diese Bewertung kann man sowohl als Lehrer durchführen, als auch die Schülerinnen selbständig durchführen lassen. Möglich ist dies z.B. als Routine am Ende der Stunde (der Woche, nach Projekt-Meilensteinen) zu etablieren und z.B. mit Klebepunkten die vergangene Stunde zu rekapitulieren.

Nachteil dieser Methode ist, dass sie schnell unübersichtlich werden kann, weil sie noch immer stark textbezogen ist. Im Folgenden will ich deshalb einige Möglichkeiten vorschlagen, um die Bewertung stärker in eine visuelle Richtung zu bewegen.

Bewerten mit Diagrammen

Eine Möglichkeit, Leistungen auch visuell in ein Verhältnis zu setzen, sind Diagramme in Form eines einfachen Achsenkreuzes. Auf den beiden Achsen trägt man jeweils zwei Bewertungskriterien auf, die man auf die ein oder andere Weise in einem Zusammenhang sehen kann.

Einfaches Koordinatensystem zur Selbstbewertung

Im Beispiel sollen die Schülerinnen den Zeitbedarf für eine (oder mehrere) Aufgabe(n) und die Komplexität (natürlich als Wahrnehmung der Schülerin) auftragen. Über die vier Quadranten kann man dann zu einer differenzierteren Rückmeldung gelangen. Hat eine Schülerin z.B. viele Markierungen mit hohem Zeitbedarf bei eher trivialen Problemen gesetzt, kann es sein, dass:

  • …die S. zu viel Zeit für einfache Aufgaben aufwenden musste (evtl. falsche Schwerpunktsetzung, Überforderung).
  • …viele einfache Aufgaben zu erledigen waren, die eben viel Zeit in Anspruch genommen haben (evtl. falsche Aufgabenverteilung im Projekt).
  • …die S. einfach Zeit verbummelt hat.

Hat eine Schülerin viele Punkte im Quadranten komplexe Aufgabe – niedriger Zeitbedarf gesetzt könnte es sein, dass:

  • …die S. sehr gut ist.
  • …die Aufgabenstellung zu einfach war.
  • …die S. relativ einfache Aufgaben als komplex wahrgenommen hat.

Es ist also zu sehen, dass auch hier viel Interpretation zu tun bleibt. Allerdings kann man über solche visuell greifbaren Darstellungen sehr gut in ein Gespräch kommen und direkte und individuelle Rückmeldungen geben.

Natürlich kann man dies auch noch mit mehr Dimensionen gestalten, indem man ein Netzdiagramm zeichnen lässt. Dabei wäre es möglich, dass sie Schülerinnen am Ende der Stunde ihre Selbstbewertung in einer Excel-Tabelle festhalten, Mittelwerte berechnen und diese im Diagramm visualisieren. Wenn man nun einzelne Kompetenzbereiche, welche inhaltliche Nähe zeigen, nebeneinander anordnet, kann man im Netzdiagramm Schwerpunkte erkennen.

Netzdiagramm zur Selbstbewertung

Insbesondere, weil die Schülerinnen hier Daten mit der Tabellenkalkulation sammeln und auswerten, bietet sich in meinen Augen eine solche Lösung an, weil die Tabellenkalkulation ein oft genutztes Tool ist.

Bewerten mit Online-Umfragen

Online-Umfragen sind eine weitere Möglichkeit, Bewertungen zu sammeln und dann auch auswerten zu können. Es existieren viele Lösungen, die aber unter Umständen aus datenschutzrechtlicher Sicht bedenklich sein könnten. An vorderster Front ist Google Forms zu nennen. Ich halte dies insofern für relativ unbedenklich, so lange man z.B. nur die Vornamen der Schülerinnen verwendet und den Namen der Schule nicht auf dem Formular auftauchen lässt. Außerdem gestattet Google (im Gegensatz zu Facebook), das Anlegen von Accounts unter Pseudonymen. Die Schülerinnen brauchen keinen Account, um die Umfrage auszufüllen.

Die Lösung von Google ist sehr intuitiv zu bedienen und bietet vielfältige Formen um Rückmeldungen einzusammeln. Die Daten können anschließend in einer CSV-Datei geladen und dann auch aus der Google-Cloud gelöscht werden.

Alternativ bietet Microsoft ein ebenfalls „Forms“ benanntes Werkzeug an, welches sehr ähnlich ist.

Google Forms – Beispiellayout

Wer trotzdem Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes hat, der kann (imho sofern er in BaWü unterrichtet), einen Service des Landes nutzen. Minnit ist eine eigens für schulische Zwecke entwickelte Umfrage-Plattform. Das Vorbild Google Forms ist unverkennbar und wer mit Googles Tool gearbeitet hat, findet sich schnell zurecht. Für den Zweck der Bewertung stößt man schnell an Grenzen, da das Tool (sicher auch mit dem Gedanken Datenschutz) nicht personalisiert ist und auch keine eigene Auswertung zulässt (zumindest habe ich keine Möglichkeit gefunden, die Daten zu laden). Trotzdem lohnt sich der Blick, insbesondere, da das Werkzeug noch sehr neu ist und evtl. weitere Entwicklungen kommen werden.

minnit – Umfrageportal des Kultusministeriums BaWü

Wer alles selbst machen will, kann natürlich euch LimeSurvey selbst hosten (z.B. auf dem Schulserver), dann hat man die volle Kontrolle über alle Daten.

Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Beitragsparade der Bildungspunks für den Monat April 2019. #EduPnx

Bilder

Der Screenshot zeigt ein Beispiellayout von „Google Forms“, die Rechte am Layout liegen bei google.com.

Der zweite Screenshot ist ein Beispiel des Webdienstes „minnit“. Die Rechte liegen beim Land Baden-Württemberg.

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